Warum es durchaus kein Muss für Linke ist, das Existenzrecht Israels anzuerkennen

A. Holberg

Auf der 'Linken' gibt es zwei offene und ein verstecktes Argumentationsmuster zu Gunsten der Anerkennung des Existenzrechts Israels.

Die Hauptargumente auf Seiten der linksbürgerlichen Prozionisten 'antinationaler/antideutscher' Provinienz sind, dass Israel nicht nur Zufluchtsort der Opfer des Antisemitismus und insbesondere des vom deutschen Faschismus (in deren Sichtweise eher vom deutschen Volk) organisierten Holocaust sei, sondern dass die Unfähigkeit der Arbeiterbewegung, dies zu verhindern, alle linken Kritiken, die bis dahin am jüdischen Nationalismus (Zionismus) geübt worden seien, im Kern gegenstandslos gemacht habe. Zudem sei es 'antisemitisch', den palästinensischen Nationalismus zu unterstützen und den der Juden abzulehnen. Während diese Prozionisten in der Kritik an den Unterstützern des palästinensischen Nationalismus inzwischen oft so weit gehen, die Legitimität der palästinensischen Nationalbewegung überhaupt -- oft mit abstrakt 'antinationalen' Argumenten -- zurückzuweisen, beschränkt sich ein Teil der traditionellen Linken, wie sie hierzulande etwa von der DKP repräsentiert wird, darauf, unter Hinweis auf einen -- vermeintlichen -- Realismus einfach die aktuelle Forderung der meisten bürgerlichen Staaten innerhalb und außerhalb der Region, ihres Dachverbandes, der UNO, sowie der bürgerlichen Führung der palästinensischen Nationalbewegung selbst eine Zwei-Staaten-Lösung zu unterstützen.

Schließlich gibt es jedoch noch eine dritte Gruppe, nämlich die der verschämten Anhänger des Existenzrechts Israels, die im allgemeinen aus solchen Kräften besteht, die sich als revolutionäre Marxisten definieren. Deren Vorstellung beinhaltet zwar nicht die Verteidigung des Existenzrechts Israels, so wie es als siedler-kolonialistischer 'Staat der Juden' existiert. Dieser Staat ist schließlich nicht nur wegen der Ablehnung durch die arabische und insbesondere palästinensische Umgebung, sondern nicht zuletzt auch auf Grund seines bürgerlichen Klassencharakters eng dem Imperialismus verbunden und besitzt selbst imperialistische Charakteristika. Diese Kräfte bestehen aber auf dem nationalen Selbstbestimmungsrecht nicht nur für die Palästinenser, sondern auch für die israelischen Juden. Sie treten im besten Fall für einen entzionisierten binationalen Staat ein oder lassen sogar die Möglichkeit einer nun proletarisch gewendeten Zweistaatenlösung zu.

Während die Argumente der ersten und zweiten Gruppe im Folgenden im wesentlichen implizit zurückgewiesen werden sollen, wollen wir uns denen der zuletzt genannten Gruppe eingehender widmen und zwar hauptsächlich anhand einer Polemik, die im Frühjahr 2002 zwischen zwei Zeitschriften der marxistischen Linken in den USA ausgetragen wurde.

In der Nr.779 v. 19.4.2002 ihrer Zeitschrift Workers Vanguard schrieb die 'Spartacist League/International Communist League' (www.icl-fi.org) [zit. Im Folgenden nach der Zeitschrift Spartakist Nr.147, die von der deutschen Sektion der ICL, der 'Spartakist Arbeiterpartei Deutschlands', SpAD, herausgegeben wird]:

Während die meisten amerikanischen linken Organisationen heute die Ministaat-Lösung ablehnen, klammern sich ISO, WWP, die maoistische Revolutionary Communist Party (RCP) und andere an die Forderung nach einem »sekularen, demokratischen Palästina«, die lange Jahre von der PLO aufgestellt worden war. ... Zunächst einmal würde ein solcher Staat die Millionen Palästinenser ausschließen, die heute in Jordanien, einem mehrheitlich palästinensischen Staat, leben. Noch grundlegender: Ein säkulares, demokratisches Palästina mag zwar vielen westlichen Linken und Liberalen als eine humane, rationale Lösung erscheinen, aber es bewahrt doch den wesentlichen Kern der arabisch-nationalistischen Position, zu leugnen, dass die hebräischsprachige Bevölkerung eine Nation darstellt mit dem Recht auf Selbstbestimmung. Vielmehr solle diese einfach wie eine religiöse Minderheit behandelt werden. In Übereinstimmung mit dieser Auffassung beschreiben ISO, RCP, WWP und andere Israel als »Siedler-Kolonialstaat«. Hinter dieser Position steht das Argument, dass die israelischen Juden als Unterdrücker ihre eigenen nationalen Rechte gegenüber den unterdrückten Palästinensern verwirkt hätten. Dieses Argument wird explizit von der 'League for the Revolutionary Party' (LRP) geäußert, die in einem Flugblatt vom 5. April erklärte »Ganz Israel ist 'besetztes Gebiet'!«. Die LRP spricht zwar von »jüdischen Arbeitern« und »Klassengegensätzen innerhalb der israelischen Gesellschaft«, charakterisiert aber das gesamte hebräischsprachige Proletariat als »Arbeiteraristokratie« und fordert »einen einzigen palästinensischen Arbeiterstaat«. Die Logik der LRP-Position ist, dass die israelische Arbeiterklasse, falls sie nicht gewillt ist, in einem palästinensisch dominierten Staat zu leben, gar kein Recht habe, überhaupt in dieser Region zu leben.

Die LRP antwortete in ihrer Zeitschrift Proletarian Revolution (No.64, Spring 2002) unter der Zwischenüberschrift »Der Skandal der 'sozialistischen' Zionisten« ausführlich:

Zionisten verleumden den palästinensischen Kampf gegen Israel ständig als inhärent anti-jüdisch. Es ehrt das palästinensische Volk, dass seine große Mehrheit sich trotz der brutalen Unterdrückung seitens Israels geweigert hat, ein anti-jüdisches Programm oder eine entsprechende Führung zu unterstützen. Das Ziel seines Kampfes besteht nicht in der Auslöschung der Juden in der Region, sondern in der Zerstörung des israelischen Apartheid-Staates. Skandalöserweise gibt es einige Gruppen, die sich selbst als Sozialisten und sogar Trotzkisten betrachten und die die zionistische Propaganda wiederholen und sagen, dass, sich für die Sache der Befreiung gesamt Palästinas und die völlige Zerstörung Israels einzusetzen, bedeute, dazu aufzurufen »die Juden ins Meer zu treiben«. Ein hervorstechendes Beispiel für eine solche Organisation ist die Spartacist League (SL) zusammen mit ihren abgespalteten Gruppen, der 'Internationalist Group' und der 'International Bolshevik Tendency'... Der Artikel der Spartacists verurteilt Linke, die einen palästinensischen Arbeiterstaat fordern, »in dem Juden, Araber, Muslime und Christen gleiche Rechte hätten«. ... Die SL sucht sich dann die LRP für ihren Angriff auf, weil wir ... diesen Ansatz explizit machen.

Die SL schreibt: »Die Doktrin, dass eine Unterdrückernation ihr Recht auf Selbstbestimmung verwirkt habe, hat nicht mit Sozialismus und Demokratie zu tun; sie ist die Ideologie des völkermörderischen Irridentismus [Anschluss an das Mutterland]. Der zionistische Staat wurde geschaffen, indem die nationalen Rechte der Palästinenser mit Füßen getreten wurden. Aber die Sicherstellung der nationalen Rechte der Palästinenser bedeutet nicht, die Unterdrückungsbedingungen umzukehren und dem hebräischsprachigen Volk die demokratischen Rechte zu verweigern. Grundlegend für die leninistische Position zur nationalen Frage -- die einzig konsequent demokratische Position -- ist, dass alle Nationen ein Recht auf Selbstbestimmung haben.«

Selbstbestimmung für die Palästinenser heißt aber nichts, wenn es nicht ihr Recht bedeutet, das ihnen durch den Imperialismus und die Gründung des Staates Israel gestohlene Land zurückzufordern und ihren eigenen Staat auf diesem Territorium zu gründen. Da die Araber unter solchen Bedingengen sehr viel mehr wären als die Israelis, ist es nur natürlich, dass der durch eine siegreiche Arbeiterrevolution geschaffene Staat ein palästinensischer Staat sein wird. Aber ein palästinensischer leninistischer Arbeiterstaat würde die Rechte der Juden und aller anderen Völker, in Frieden zu leben, verteidigen. Die SL stimmt zu, dass nationale Selbstbestimmung nichts bedeutet, wenn nicht da Recht der Loslösung. Das Recht dessen, das die SL das 'hebräischsprachige Volk' nennt, zu verteidigen, sich vom palästinensischen Arbeiterstaat abzutrennen, bedeutet dessen Recht, seine Kontrolle über ein Territorium zu erklären und dort seinen eigen Staat zu gründen. Wenn die Palästinenser ihr Selbstbestimmungsrecht erlangen einschließlich des vollen Rechts auf Rückkehr in ihre Heimat, werden sie überall die Mehrheit stellen. Das Selbstbestimmungsrecht von Israelis zu verteidigen, bedeutet, das Recht der Israelis zu verteidigen, das von den Palästinensern gestohlene Land zu behalten und entweder in ihren 'Arbeiterstaat' als eine Minderheit zu herrschen, oder die palästinensische Mehrheit ganz aus diesem Land zu vertreiben. ... Man beachte, dass die SL so feige und unehrlich ist, dass sie sich nicht einmal dazu überwinden kann, auch nur den Namen der Nation, um die sie sich sorgt, -- Israel -- niederzuschreiben. Stattdessen sprechen sie von israelischen Juden als dem 'hebräischsprachigen Volk', als seien diese die einzige Nation in der Welt ohne Namen! Sie tun das, um die Tatsache zu verdecken, dass sie die fortgesetzte Existenz eines israelischen jüdischen Staates, wenngleich eines israelischen 'Arbeiter'-Staates, unterstützen. Die SL ist mit einem Wort zionistisch. Und da die SL die Idee verteidigt, dass "alle Nationen das Recht auf Selbstbestimmung haben", muß das bedeuten, dass die SL den zionistischen kolonialen Siedlerstaat verteidigen würde, wenn denn die palästinensische Mehrheit je in der Lage zu sein scheinen sollte nach 'Israel' zurückzukehren, oder wenn der Kampf der Palästinenser jemals die Existenz des imperialistischen israelischen Nationalstaates bedroht....

Die SL argumentiert, dass Lenin die Frage der nationalen Selbstbestimmung als die eines abstrakten bürgerlichen Rechts unbeeinflußt von der konkreten Natur des Imperialismus behandelt habe. Das ist Unsinn. Der Erste Weltkrieg und die russische Revolution lehrten Lenin, dass der Kapitalismus in die imperialistische Epoche eingetreten war und dass alle demokratischen Fragen von nun an nur durch den Sturz des Imperialismus durch die sozialistische Weltrevolution gelöst werden könnten. Während des Krieges riefen verschiedene reformistische Sozialdemokraten zur Verteidigung aller kriegsführenden Nationen und vergossen insbesondere Tränen der Sympathie für kleine imperialistische Staaten wie Belgien, das von Deutschland überrannt worden war. Lenin auf der anderen Seite verlangte eine gleichen Rechte für imperialistische Nationen im Krieg, geschweige denn zwischen imperialistischen und kolonialen Nationen, sondern rief zur Niederlage der Imperialisten auf. Er verlor nie ein Wort über die Rechte imperialistischer Nationen. Wann immer die 'Rechte' imperialistischer Nationalstaaten durch den Kampf gegen den Imperialismus in Frage gestellt werden, unterstützen Leninisten ohne zu zögern die Rechte der Unterdrückten über die Unterdrücker. Etwas anderes zu tun, bedeutet, den demokratischen und revolutionär-sozialistischen Kampf zu schwächen und vom Weg abzubringen, indem man ihn in die Sackgasse bürgerlich-'demokratischer' Lösungen führt.

Die LRP kritisiert im folgenden die Position der SL zu Gunsten eines binationalen Arbeiterstaates oder alternativ zu Gunsten von zwei Arbeiterstaaten nebeneinander. Die LRP schreibt:

Die 'arabisch/hebräische Arbeiterrevolution', die sie sich vorstellen, ist eine, die gemeinsam gemacht wird, bei der sich dann aber die 'hebräischen' Arbeiter weigern, in einem palästinensischen Staat zu leben und das Recht, sich zu trennen, verlangen. Die Spartacists stellen sich eine sozialistische Revolution vor, die von 'hebräischen' Arbeitern gemacht wird, die immer noch so rassistisch und an die Minderheitsherrschaft gewöhnt sind, dass sie das Recht verlangen, gestohlenen palöstinensischen Boden zu behalten, um auf diesem ihren separaten 'Arbeiterstaat' zu gründen. ... Die Quelle der Position der SL ist die, dass sie die Furcht der Zionisten vor den Unterdrückten und ihre rassistische Karikatur der arabischen Massen als anti-jüdische Pogromisten fürchten.

Die SL hatte der LRP vorgeworfen, sie betrachte das ganze jüdische Proletariat in Israel als eine 'Arbeiteraristokratie'. Das schließe jedoch jede Perspektive aus, »die hebräischsprachigen Arbeiter für ein Programm der Klasseneinheit mit ihren arabischen Brüdern und Schwestern zu gewinnen, in einem gemeinsamen Kampf gegen alle Ausbeuter und Unterdrücker in der Region. Und ohne das ist jedes Reden von 'Revolution' oder nationaler Gerechtigkeit einfach leere Rhetorik, die nichts dazu beiträgt, die Sache der Palästinenser voranzubringen.«

Die LRP dreht den Spieß um und betont, dass die Reden der Spartacists über Solidarität mit den Palästinensern leere Rhetorik sei, wenn ihre Strategie darin bestehe, dass die palästinensischen Arbeiter den israelischen Staat nicht stürzen sollten, solange die israelischen Massen nicht von der zionistischen Ohnmacht erwacht seien und gemeinsam mit den Palästinensern kämpften. Während die LRP in Wirklichkeit zwar keineswegs die gesamte jüdisch-israelische Arbeiterklasse als Arbeiteraristokratie kennzeichnet, besteht sie doch auf der Feststellung, dass die überwältigende Mehrheit der jüdischen Arbeiter im Vergleich mit den palästinensischen nicht nur politisch sondern auch wirtschaftlich privilegiert sind. Obwohl die ökonomische Entwicklung die jüdische Bourgeoisie zwingen werde, diese Privilegien schließlich anzugreifen, bleibe doch die Tatsache, dass unabhängig von allen -- unbedingt notwendigen -- Bemühungen palästinensischer Revolutionäre mit größter Wahrscheinlichkeit die Mehrheit der jüdisch-israelischen Arbeiter dem Zionismus gegenüber loyal bleiben werde. Die Befreiung Palästinas -- die von beiden Organisationen nicht außerhalb einer sozialistischen Revolution in der gesamten Region und der Gründung einer Föderation sozialistischer Staaten des Nahen Ostens für möglich gehalten wird -- hängt deshalb für die LRP in erster Linie von der arabischen Revolution ab, während sie für die SL in erster Linie offenbar von der Revolution der jüdischen Arbeiterklasse in Israel abhängt.

Die SL behauptet, dass die Logik der LRP-Position die sei, "dass die israelische Arbeiterklasse, falls sie nicht gewillt ist, in einem palästinensisch dominierten Staat zu leben, gar kein Recht habe, überhaupt in der Region zu leben." Die LRP fragt nachdem sie das selbstverständliche Recht der Juden in einem palästinensischen Arbeiterstaat frei von jeder religiösen und ethnischen Diskriminierung zu leben, betont hat, zurück: "Wer hat denn je von »Leninisten« gehört, die reaktionäre Rassisten verteidigen, die sich weigern, die Mehrheitsherrschaft in einem Arbeiterstaat zu akzeptieren?" In der Tat ist es verwunderlich, dass ausgerechnet die SL, die doch offensichtlich so große Hoffnungen auf die Fähigkeit des jüdischen Proletariats in Israel setzt, mit dem Zionismus völlig zu brechen, den damit notwendigerweise verbundenen Bewusstseinswandel als derart begrenzt einschötzt, dass sie ihre Furcht vor 'den Arabern' auch in die revolutionäre Gesellschaft mitnehmen. Auch das wäre nochvorstellbar, wenn nicht auch die SL davon ausginge, dass eine solche revolutionäre Perspektive in Israel natürlich nur als Bestandteil einer ebenso revolutionär-proletarischen Perspektive im übrigen Palästina und den arabischen Nachbarländern vorstellbar wäre. Mit anderen Worten: die jüdische revolutionäre Arbeiterklasse, die trotz ihrer Privilegien mit ihrer eigenen Bourgeoisie (und dem Imperialismus) gebrochen und diese besiegt hat, fürchtet sich nicht etwa vor arabischen Massen, die sich weiterhin im Griff der bürgerlichen Klientenregime, bürgerlich-nationalistischer Kräfte oder gar der islamistischen Reaktion befinden, sondern vor Arabern, die ihrerseits diesen sozialen Schutt beiseitegeräumt haben.

Wenngleich das nicht der wahre Grund für die Haltung der SL ist, hat sie doch für ihre Zweistaatenposition eine theoretische Rechtfertigung mit dem bereits zitierten Hinweis konstruiert, dass die Doktrin, eine Unterdrückernation habe ihr Recht auf Selbstbestimmung verwehrt, nicht mit Sozialismus oder Demokratie zu tun habe. In Wirklichkeit ist das Problem allerdings, dass es verschiedene Arten von 'Unterdrückernationen' gibt. Wenn etwa Frankreich gegenüber Algerien die Unterdrückernation war, dann steht die Forderung der algerischen Befreiungsbewegung dem Selbstbestimmungsrecht der Franzosen (in Frankreich) überhaupt nicht entgegen. Völlig anders jedoch in Palästina: Die Existenz eines lebensfähigen separaten jüdischen Staates widerspricht der Forderung nach Rückkehr der vertriebenen Palästinenser und ihrer Wiedereinsetzung in ihr Eigentum. Es gibt auch innerhalb Israels kaum ein Stück Boden, das nicht bis zur Staatsgründung von Palästinensern besiedelt worden ist. Die LRP hat deshalb den Slogan geprägt "Ganz Israel ist 'besetztes Gebiet'". Das Siedeln von Juden in Palästina ist deshalb in den meisten Fällen nur als Zugeständnis der Palästinenser möglich und kein Recht, denn es gibt kein Recht auf Unterdrückung und Vertreibung.

Gegenüber dem 'Argument', dass Israel doch die notwendige Folge des Holocaust sei, hält die LRP fest: "Es ist eine der großen Tragödien der modernen Geschichte, dass der Nazi-Holocaust an den Juden vom Imperialismus manipuliert wurde, um die Schaffung des israelischen Apartheidstaates zu rechtfertigen. Aber der Staat Israel ist kein Schutz vor antisemitischen Angriffen. Die Mehrheit der Israelis besteht ohnehin nicht aus europäischen Juden, sondern aus solchen aus dem Nahen Osten oder von sonst woher. Und die Schaffung Israels hat offensichtlich als Lösung für anti-jüdische Angriffe versagt. Der einzige Weg, der Bedrohung durch anti-jüdische Angriffe ein Ende zu setzen, besteht darin, gegen sie dort entschlossen zu kämpfen, wo auch immer sie geschehen, und im Zuge dieses Kampfes das System zu stürzen, das sie gebiert: der imperialistische Kapitalismus."

Die Kritik der LRP an der SL-Position gilt auch für die binationale Option, wie sie von Michel Warschawski, dem Leiter des 'Alternative Information Center' in Jerusalem, in der Sozialistischen Zeitung vom Februar 2002 dargelegt wurde. Warschawskis Position trifft sich im übrigen in einem Punkt mit der der linken Anhänger der Zweistaatenlösung: Beide gehen von der Möglichkeit der Realisierung des nationalen Selbstbestimmungsrechts der Palästinenser und der Aufhebung des zionistischen Charakters Israels im Rahmen der bürgerlichen Ordnung der Region aus. Die Bekämpfung genau dieser Illusion ist jedoch die Hauptaufgabe von revolutionären Sozialisten in Hinblick auf den Nahen Osten und die palästinensische Frage. Auf der Basis der Respektierung der bestehenden sozio-ökonomischen Verhältnisse kann das kleine palästinensische Volk sich nicht befreien. Alleine auf nationalistischer Basis kann die palästinensische Befreiungsbewegung nicht die von ihren eigenen Bourgeoisien ausgebeuteten und unterdrückten arabischen Massen sowohl für den Kampf gegen den Imperialismus und Zionismus als auch gegen deren einheimische Klientenregime mobilisieren, nicht die jüdisch-israelische Arbeiterklasse vom Zionismus trennen oder zumindest neutralisieren und nicht dem an der Aufrechterhaltung der bestehenden Ordnung notwendigerweise interessierten Imperialismus erfolgreich entgegentreten.

KOVI Archiv | KOVI-BRD Home | E-mail